***Das Märchen vom Maulwurf von Richard Dehmelf***
*** *** *** ***MÄRCHEN *** *** *** *** BILDER*** *** *** ***MÄRCHEN*** *** *** *** BILDER*** *** *** ***MÄRCHEN



zurück Website erstellt by Sabine Grimm
Impressum:



Siehe auch:
Zeichnungen von

Baeredel
hier:
Die kleine Träne
Bilder aus:
Alisha,
die tanzende
Eisprinzessin
Bilder aus:
Das güldene Tor
Renaissance alter
Märchen und
Geschichten
Bilder in Öl
u. a. aus
Nicht alle Tölpel
können fliegen
Bilder
Filzstift- und
Wachsmal-
Zeichnungen
Nicht alle Tölpel
können fliegen
Hier: Portrait-
Zeichnungen von
Baeredel
Zeichnungen aus meinem ersten Buch:
Ode to husband
Zeichnungen aus:
Ein Wattwurm wollte Hochzeit machen
Zeichnungen
aus:
SPRUCHREIF: Von ewigen Studenten und anderen Faulpelzen
Zeichnungen
aus:
Kommissar Scherly Im Banne des Geldes
Zeichnungen
aus
Perlen für Mutter
*
Lebenslichter

Das Märchen vom Maulwurf

Vor vielen tausend Jahren, als die Menschen noch keine Kleider trugen, lebte mitten in der Erde ein Zwerg, so tief unten, dass kein Mensch etwas von ihm wusste. Und er selber wusste von den Menschen auch nichts, denn er hatte sehr viel zu tun. Er war ein König über die anderen Zwerge, und schon fünf mächtige Höhlen hatte er sich ausputzen lassen und war ganz alt und grämlich dabei geworden, soviel hatte er zu befehlen. Es war aber nicht dunkel da unten in den Höhlen, sondern eine glänzte immer bunter als die andere, so viele Diamanten und Opale hatte das Zwergvolk darin aufgebaut, und dir Wände waren von blankem Kristall, jede in einer besonderen Farbe. Und da saß nun der König der Zwerge, in seinem Mantel von schwarzem Samt, auf einem großen grünen Smaragdgestein, fasste sich an seine spitze Nase und überlegte mit seinen alten Fingern, ob auch alles hell genug wäre. Er fand es aber durchaus nicht hell genug.

Da machten ihm die anderen Zwerge eine sechste Höhle zurecht, mit Wänden von lauter Rubinen, die wie ein einziger Feuerschein glühten, und das dauerte tausend Jahre; aber er fand auch das noch nicht hell genug. Als er nun immer trauriger wurde in seinem schwarzen Samtmantel, kamen die anderen alle zusammen, und die Jüngsten sagten zu den

Alten: „Kommt, lasst uns eine blaue Höhle machen!“ –

Dafür wären sie beinahe tot geschimpft worden, denn bis dahin hatte das Zwergvolk die blaue Farbe nicht leiden können. Weil aber alle anderen Farben in den sechs Höhlen schon durchprobiert waren, sagten endlich auch die ältesten Zwerge „ja“ und gaben den jungen die Hände. Dann gingen alle an die Arbeit und putzten heimlich eine siebente Höhle aus, mit Wänden von echten Türkisen, die so hell und blau wie der Himmel waren, und das dauerte wieder tausend Jahre.

Die gefiel nun dem König wirklich, und der allerälteste Zwerg, der fast so alt wie der König selbst war,  schoss vor Verwunderung einen Purzelbaum. Darauf trugen sie den großen Smaragdstein in die neue Höhle, und der König setzte sich auf ihn und freute sich, wie schön sein schwarzer Samtmantel zu den hellblauen Wänden passte.  Nachdem er aber fünfhundert Jahre so gesessen hatte, fand er auch das nicht mehr hell genug; er wurde trauriger als je zuvor und seine Nase immer spitzer. Fünfhundert Jahre saß er noch und überlegte seinen Kummer, so dass er schon ganz fett zu werden anfing. Endlich ertrug er das nicht länger, ließ sich die jüngsten Zwerge kommen und sagte: „Macht mir eine Höhle, die ein Licht hat, wie alle Farben in eine verschmolzen!“


Das verstanden aber auch die allerjüngsten nicht und glaubten,  ihr König sei verrückt geworden. Da beschloss er, sie zu verlassen und selbst nach seinem hellen Lichte zu suchen. Er stieg herunter von seinem Smaragdstein und schnitt den schwarzen Samtmantel etwas kürzer, so dass er Hände und Füße frei bewegen konnte, und fing an zu graben. Weil aber unten in der Erde die anderen schon alles abgesucht hatten, so meinte er, dass Licht, wonach er solche Sehnsucht fühlte, müsse wohl weiter oben liegen, und grub sich in die Höhe. Und weil das Zwergvolk damals den Spaten noch nicht erfunden hatte,  so musste er die Finger zum Wühlen nehmen.  Das tat ihm nun sehr weh, denn er war das nicht gewohnt. Aber  er hatte solche Sehnsucht nach dem Licht.

Dreitausend Jahre wühlte der König der Zwerge und grub sich höher und höher hinauf. Die Haut um seine Finger war schon ganz dünn geworden,  so dass die kleinen Hände ganz rosarot aus seinem schwarzen Samtmantel guckten. Aber er sah das Licht immer noch nicht.  Nur tief von unten schimmerte noch ein blaues Pünktchen zu ihm herauf, aus seiner siebenten Höhle her;  aber um ihn und über ihm war alles schwarz. Auch etwas magerer war er geworden, und die Nase noch spitzer. Da überlegte er, ob er nicht lieber zu seinem Volke zurückkehren sollte, aber er fürchtete, dann würden sie ihn absetzen und wirklich in ein Irrenhaus sperren. Also ging er aufs Neue an die Arbeit mit seinen rosaroten Zwerghänden und grub nochmals dreitausend Jahre lang, und es wurde immer dunkler um ihn her, bis schließlich auch das blaue Pünktchen tief unten hinter ihm verschwand. Als er gar nichts mehr sehen konnte, hörte er auf zu wühlen und sprang in die Höhe und wollte sich den Kopf einstoßen, so furchtbar traurig war ihm zumute.

Da ging auf einmal die Erde entzwei über ihm, und er schrie laut auf vor Entzücken und schloss die Augen vor hellem Schmerz, so viele Farben gab es da oben, als ob ihn tausend bunte Messer stechen würden, bis ins Herz. Denn hoch im Blauen über der Erde, viel höher, als er gegraben hatte, so hell, wie alle Farben in  e i n e  verschmolzen, stand eine große strahlende Kugel, und alles war ein Licht! – Als er es aber ansehen wollte und seine Augen wieder aufschlug, da war er blind geworden und fiel auf die Stirn.

Und er fühlte, wie schwach sein Königsherz war,  und wie sein schwarzer Mantel vor Schreck mit ihm zusammenwuchs, und dass er kleiner und kleiner wurde und seine Nase immer spitzer, und plötzlich rutschte er zurück in die Erde.

Seit dem Tage gibt es Maulwürfe hier oben, und darum haben sie ein schwarzes Samtfell und rosarote Zwerghände und sind blind. Und manchmal, wenn die Sonne recht kräftig scheint, dann stoßen sie ein Häufchen Erde hoch und stecken die spitze Nase an die Luft, vor Sehnsucht nach dem Licht.



Richard Dehmel