***Ein altes Märchen vom Monde von Wilhelm Schlipköter***
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*
Lebenslichter

Ein altes Märchen vom

Monde

Wenn der Mond in der Nacht am Himmel steht, ist er gar schön und friedlich anzuschauen. Er leuchtet wie Silber. In die Sonne kann man ja nicht blicken, aber dem guten Mond kann man ruhig ins Gesicht sehen. Das macht den Augen nichts. Er steht zwischen dem Sternenheer wie ein Hirte zwischen den Schafen und weidet sie auf der großen Himmelswiese. Er ist sehr groß und auch sehr weit entfernt. Kleine Kinder aber glauben, er wäre so nahe, dass sie ihn mit den Händen greifen könnten, auch sei er nicht größer wie ein Luftballon oder eine runde Fackel. Die Menschen, und vor allem die Kinder in der ganzen Welt, glauben das. Sie erzählen sich von ihm folgende lustige Geschichte:  

In alten Zeiten hatte eine Familie eine wunderbare Laterne, die nie verlöschte. Es war der Mond. Der Vater hatte die Laterne vom Großvater geerbt und der Großvater vom Urgroßvater. Wo der Urgroßvater sie nun her hatte, das wusste er nicht mehr genau, denn er war alt und hatte es mit seinem schwachen Kopfe ganz vergessen. – Diese Laterne brauchte kein Öl und leuchtete doch fort und fort, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Damit dem Vater bei Tage die Laterne nicht fort kam, steckte er sie morgens in einen großen Steinkrug und legte einen Deckel darüber. Denn die Nachbarn waren alle neidisch auf das schöne Licht und hätten es dem Vater gern gestohlen. Sich selbst aber konnten sie keine Laterne machen. Sie waren so dumm, dass sie keine Lampe anfertigen konnten. Darum mussten sie abends früh mit der Arbeit aufhören und früh zu Bett gehen.

Aber der Vater öffnete jeden Abend den Krug. Alsbald sprang der Mond heraus aus seinem dunklen Hause und stieg leuchtend in die Höhe bis zur Decke. Gewöhnlich setzte er sich auf eine lange Stange und blieb da ruhig bis zum Morgen sitzen. Wie schön konnten dann noch alle bis spät in die Nacht sehen! Die Männer schnitzten, die Frauen nähten sich Schürzen, und die Kinder spielten mit Feigen und Nüssen.

Nun ging eines Tages die ganze Familie aufs Feld. Die Kartoffeln waren reif, und alle mussten beim Ausmachen helfen. Einen kleinen Knaben aber hatte man zurückgelassen. Zu dem hatte der Vater gesagt: „Bleibe schön an der Tür sitzen, und gib Acht, dass man nichts aus dem Hause stielt. Besonders gib auf den Mond Acht, öffne den Krug nicht. Wenn du brav bist, bringe ich dir auch Ananas und Bananen mit, soviel du magst.“   

Den ganzen Tag saß der Kleine still an der Tür und vertrieb sich die Zeit mit Fliegenfangen und Steinspielen. Am Nachmittag aber bekam er Besuch. Sein Freund, ein anderer Knabe, trat ein und wollte ihm beim Zeitvertreib helfen. Das war dem Wächter sehr recht. Beide erzählten sich Geschichten von Löwen und Schlangen und verzehrten zusammen eine Kokosnuss. Endlich sagte der kleine Gast: „Warum bleibst du eigentlich in der Hütte? Meine Eltern sind auch auf dem Kartoffelfeld. Wir aber haben die Tür zugeschlossen und das Haus allein gelassen. „Sage, warum musst du hier bleiben?“ – „Ja“, antwortete der andere, wir haben auch etwas, was ihr nicht habt und was sonst keiner hat auf der ganzen Welt, nämlich einen schönen Mond.“

„Ach, den möchte ich doch einmal gern sehen, antwortete der Besucher, „zeige ihn mir mal.“ Erst wollte es der kleine Mondhüter nicht tun, hernach aber sprach er: „Komm nur. Ich hebe ein wenig den Deckel in die Höhe, dann kannst du ihn durch die Ritze betrachten.“

Sie traten zum Krug, und leise und vorsichtig hob der Junge den Deckel ein wenig in die Höhe. Als das aber der Mond merkte, da stieg er in die Höhe und wollte sich mit Gewalt ganz herausdrängen.


Der Knabe drückte und drückte; aber der Mond war viel stärker. Er fuhr aus dem Krug und schwebte durchs Zimmer. Weil er aber böse war, dass man ihm nicht gleich den Willen erfüllt hatte, setzte er sich nicht auf die Stange, sondern flog zur Tür hinaus. Da schrieen die beiden vorwitzigen Jungen laut auf; aber der Mond setzte sich in aller Gemütsruhe auf das Dach des Hauses.

Da baten ihn die Knaben: „Ach, lieber Mond, komm doch geschwind wieder in deinen Krug, sonst bekommen wir vom Vater furchtbare Prügel.“

Aber dem Mond gefiel es oben auf dem Dach viel besser als in dem finsteren Kruge, denn da oben konnte man Bäume und Blumen sehen und die Vögel singen hören. Er dachte: Hier oben bleibst du erst eine Weile sitzen. Zum Herunterkommen ist es immer noch Zeit.


Da nahmen die ungeduldigen Knaben Steine und Erdschollen und bewarfen den Mond damit. Sie trafen ihn auch tüchtig.

    

Aber davon kam der Mond nicht herunter, sondern er flog weiter fort auf einen hohen Baum. Als ihn auch dort die Knaben bewarfen, erhob er sich von neuem wie ein Vogel, und stieg hoch in die blaue Luft und flog und flog, bis sein Licht ganz blass wurde und er so weit von der Erde entfernt war, wie er es heute noch ist. –

Die Leute des Dorfes aber, die alle auf dem Kartoffelfeld waren, hatten ihn davonfliegen sehen und sagten es dem Vater. Der war über den Verlust sehr traurig und strafte den ungehorsamen Sohn tüchtig, weil er den Mond hatte davonfliegen lassen. Aber die anderen Leute freuten sich, denn von jener Zeit an scheint er allen Menschen.

Ein böses Gesicht macht er nicht mehr; aber die schmutzigen Flecken, die ihm die Knaben durch ihr Werfen beigebracht haben, könnt ihr heute noch sehen, wenn ihr genau hinschaut.



Wilhelm Schlipköter