RuhrStadt Dortmund: Lesung von Hülya Özkan

Hülya Özkan las aus ihrem neuen Buch „Güle güle Süperland!“ bei Thalia, Westenhellweg 44 Dortmund, am 31 Mai 2011 um 20.00 Uhr in der Thalia Buchhandlung.




Das humorvolle Buch der deutsch-türkischen Fernsehmoderatorin, Redakteurin und Krimiautorin (Mord am Bosporus), befasst sich in authentischer Weise mit der Integration. Der Zuhörer erfuhr gestern Abend aber auch von manch anderen spannenden Dingen, die unsere unterschiedlichen Kulturen gleichsam bewegen, z. B. einem hervorragenden Mittel für die Haare.

Gleich die erste Geschichte in ihrem Buch widmet die Autorin ihrem Vater, einem Arzt, dem man damals die Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland verwehrte, was zunächst enttäuschend war, sich jedoch rückblickend  als Glück erwies, weil er heute sein Leben unter der Mittelmeersonne genießt, entspannt und gelöst sein  darf. Im türkischen Alanya behandelt er heute die deutschen Touristen und seine Landsleute. Einen Strandtag begeht er mit Flip Flops und denkt mit Abstand an die Zeit in Deutschland zurück, wo man immer ein Ziel im Auge hat, rasend schnell voranschreitet, als hätte man einen wichtigen Termin, zu dem man eilen müsse, bis hin zum hohen Blutdruck und zuletzt dem Burnout. Seiner Tochter erklärt er heute, dass es gesünder ist, wenn sie es langsam angehen lässt. Wir hören, dass Zeit für positiven Stress durchaus Sinn macht: Denn ein morgendliches Powertraining ist  vorbildlich für Gesundheit und Aussehen.
Hülya Özkan berichtete von einer Begebenheit, wie sie sich für ihren Vater in Deutschland, in einer Stadt am Rhein, auf die Suche nach einem Haarwundermittel begab, das sich bei ihm während seiner früheren Zeit in Deutschland absolut bewährt hatte. Die Zuhörer fieberten gespannt mit, der spannenden Auflösung entgegen.





In Alanya kehren ihre Männer, der Vater und ihr deutscher Ehemann, gern in Dieters Bierkneipe ein, wo man sich –ganz auf deutsche Art – zwei Warsteiner bestellt. Auch in der Türkei schätzt man den deutschen Life-Style. In der Türkei leben mehr als zehntausend Deutsche; viele Rentner verbringen dort ihren Lebensabend. Die Deutschen bilden in der Türkei einen eigenen Mikrokosmos, und es zeigen sich klare Ansätze zu Parallelgesellschaften. Der Vater der Autorin, verfolgt interessiert die Integrationsdebatte und stellte mittlerweile fest, dass sich die Türken in Alanya den Deutschen in vielen Dingen bereits angepasst haben; z. B. habe man die Bürgersteige mittlerweile tiefergelegt.

Die Autorin verriet uns eine verpasste Möglichkeit ihres Lebens: Rein theoretisch hätte sie durch einen pfiffigen Schachzug schon früh Milliardärin sein können. Sie berichtet uns von den „Tokios“, wie man Flip Flops in Japan nennt. Sehr gern habe sie die als Kind getragen, und hätte sie dieses Schuhwerk damals rechtzeitig nach Deutschland geholt, hätte sie viel Geld damit gemacht. Nur denkt man als Kind noch nicht so geschäftstüchtig, und deshalb wurde ein anderer mit der Idee reich.




Bei einem Besuch der Tropfsteinhöhle in Alanya, gemeinsam mit ihrem Vater, wurde der in seiner Funktion als Arzt vom Höhlenwärter darum gebeten,  mal zu untersuchen, wo dessen Beschwerden beim Wasserlassen herkämen. Umgehend habe ihr Vater den Mann direkt neben dem Höhleneingang gewissenhaft untersucht, mit Bauchabtasten usw. – so dass die Touristen schon herschauten. Als der Vater dem Mann unterbreiten konnte, dass er überleben würde, strahlte der über das ganze Gesicht und bot als Revanche direkt eine kostenlose Höhlenführung für die Tochter an. Das ist üblich in der Türkei; jeder hilft sich wie er es nach seinen Möglichkeiten kann. So kommt man gemeinsam weiter.

Die in der Türkei geborene Hülya Özkan wuchs in Deutschland auf. Ihre Mutter, eine starke, selbstbewusste Frau, die schon als Kind sehr selbständig war, verließ die Türkei, weil sie die Vision hatte, durch ihrer eigenen Hände Arbeit, in Europa für ihre Familie ein neues Leben zu ermöglichen. Als Kind kam Hülya in den Sechziger Jahren nach Deutschland. Bei der Ankunft der Familie war es sehr kalt. Da sie kein Wort Deutsch kannte, war die Schulzeit zunächst ein Kulturschock für die kleine Hülya. Es war zu der Zeit, als die Deutschen eine Knoblauchfahne noch sehr fürchteten. In der Firma, in der ihre Mutter arbeitete, waren noch zahlreiche andere südländische Mitarbeiter tätig, wie z. B. Griechen und Italiener. Die konsumierten alle reichlich Knoblauch, insbesondere während des Wochenendes in Unmengen, wenn die Familien zu Besuch kamen. Am darauffolgenden Montag schwebte dann eine gigantische Dunstglocke über der Werkshalle, so dass es einem schwindelig wurde von den Wolken von Knoblaucharoma, die durch die Lüfte zogen. Die Zeiten ändern sich, denn heutzutage steht Knoblauch in Deutschland sogar auf orientalischem Niveau. Ein schöner Beweis für das Gelingen von Integration, wie ich finde.

Hülya Özkan erzählte, dass die Eltern den Kindern damals die Muttersprache verboten, damit sie die deutsche Sprache alsbald gut beherrschten. Auf Türkisch gestellte Fragen beantworteten die Kinder auf Deutsch, was deren Sprachverständnis schnell stärkte. Das Kind Hülya machte fortan allein Bekanntschaft mit den deutschen Amtsstuben und erledigte bald sämtliche Behördengänge für ihre Eltern, die zuversichtlich draußen auf der Parkbank auf ihre Tochter warteten. Wir erfuhren, dass man in der Türkei oftmals nur ein bisschen mehr jammern muss, damit die dortigen Beamten über dem Antrag vielleicht mal ein Auge zudrücken, im Gegensatz zu den deutschen Beamten, die sich keinesfalls erweichen lassen und „hart wie Kruppstahl“ bleiben. Türkische Kinder sind schon früh erwachsen, weil man sie vorantreibt und ihnen schon frühzeitig Aufgaben übertragen werden.




Die Autorin erinnerte sich an einen Unfall, den sie als Kind mit der Teppichstange im Garten erlitt. Damals musste sie Haare lassen, damit der Arzt die Wunde vernähen konnte. Um den geschorenen Kopf in der Schule zu verstecken, damit keine Lästereien folgten, gab ihr die Mutter eine türkische, gehäkelte Mütze. Die Schulkinder staunten alle und wollten nicht begreifen, warum sie die Mütze nicht absetzte. Mit einem Kopftuch hätte sie damals sicherlich nicht so viel Aufsehen erregt.

Erst nach vielen Jahren fand sie die Zeit, ihre Tanten, Onkel und Cousins in der Türkei zu besuchen. Sie machte die Erfahrung, dass Familie anstrengend, aber auch sehr amüsant ist. Ein Onkel, der zwar manchmal peinlich ist, sie aber sehr oft zum Lachen bringt, ist jemand, den man einfach gern hat. Hülya Özkan ist sehr stolz auf ihre „schrecklich nette“ Familie.

Die Autorin verrät in ihrem Buch, wie Man(n) in der Türkei gleich drei Flaschen Raki, türkischer Anisbranntwein, konsumieren kann, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen und gestärkt bleiben kann, um erneut  mit Raki anzustoßen.

Der Zuhörer erfuhr, dass es viele türkische Frauen gibt, die studieren und gute Jobs haben. Es ist nur so, dass die gegensätzliche Seite am meisten betrachtet wird, weil wir Menschen meistens sehen, was wir sehen wollen. Wenn einer Familie die Bildung des Kindes unwichtig ist, können die Kinder auch nichts dafür, wenn sie keine Förderung und Unterstützung, von der Familie oder vom Staat, bekommen, unabhängig davon, aus welchem Land sie stammen.

Mit ihrem Buch hat die Autorin ein aktuelles, sehr ernstes Thema, aufgegriffen und humorvoll transportiert. Es gelang ihr, gekonnt mit den Klischees zu jonglieren. Hülya Özkans deutsch-türkischer Humor gepaart mit Ironie und Offenheit hat allen Spaß gemacht. Zwischendurch gab es immer wieder den Applaus der Anwesenden. Am Schluss des Vortrags beantwortete die Autorin noch die zahlreichen Fragen der interessierten Zuhörer, die die türkischen Landsleute mit ihrer Kultur kennenlernten und feststellten, dass sie uns Deutschen doch gar nicht mal so unähnlich zu sein scheinen. Als Essenz erlebten wir, dass man, um Teil eines Ganzen zu werden, das Gefühl braucht, willkommen zu sein. Die Autorin selbst hat die Erfahrung gemacht, dass Integration durch Sport besonders gut funktioniert.  




Die Autorin signierte im Anschluss ihre Bücher.



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Hülya Özkan ZDF.de


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