***Das arme Spatzerl von Peter Rosegger***
*** *** *** ***MÄRCHEN *** *** *** *** Märchen*** *** *** ***MÄRCHEN*** *** *** *** Märchen*** *** *** ***MÄRCHEN



zurück Website erstellt by Sabine Grimm
Impressum:



Zeichnungen von
Baeredel
hier:
Die kleine Träne
Bilder aus:
Alisha,
die tanzende
Eisprinzessin
Bilder aus:
Das güldene Tor
Renaissance alter
Märchen und
Geschichten
Bilder in Öl
u. a. aus
Nicht alle Tölpel
können fliegen
Bilder
Filzstift- und
Wachsmal-
Zeichnungen
Nicht alle Tölpel
können fliegen
Portrait-
Zeichnungen von
Baeredel

Das arme Spatzerl

Und jetzt will ich wieder einmal selbst der kleine Bub sein.

Sie waren alle fort in die Kirche und hatten die Großmutter mitgetragen. Meine Geschwister und ich, wir waren allein daheim im dunklen Waldhause. Nachdem wir uns eine Stunde lang vergeblich gefürchtet hatten, war draußen im Vorhause plötzlich ein Gepolter. 

„Maria, ein Dieb!“ stöhnte die kleine Plonele. Wir hörten ein Winseln und Kreischen. Da sprang der Nickerl auf, der Kleinste von uns, erfasste das Brotmesser und wollte ins Vorhaus.

Die Schwester hielt ihn zurück. „Lass mich“, sagte ruhig der Nickerl, „wenn’s ein Geist ist, so macht ihm das Messer eh nix. Und wenn’s ein Räuber ist, so stech’ ich ihn bloß tot.

Draußen ging’s grauenhaft zu. Spatzen schossen umher, im dunklen Raum auf der Erde lag ein zerrissenes Vogelnest. Die Katze war eben dabei, ein Junges zu verspeisen. Der Nickerl störte die Mahlzeit.

Wir nahmen uns des hilflosen Waisen an. Es gibt nichts Armseligeres auf der Welt, als ein Vöglein ohne Federn. Die Plonele wollte ihm Futter in den kleinen weit auf gespreizten Schnabel stopfen. Ich war schon mit dem Vogelbauer da, aber der Nickerl sagte traurig: „Es wird nicht am leben bleiben. Was krank ist, das legt man ins Bett. Die Plonele kam mit einem Kissen, drückte mit der Faust ein Grüblein und legte das sieche Vögelchen hinein. Die Alten flatterten angstvoll draußen und getrauten sich herein zum offenen Fenster, um das sterbende Kindlein zu hegen. Der Nickerl ging im Hause mit dem Messer umher wie ein Gericht Gottes. Er suchte die Katz’.

Um die Mittagszeit war’s, als die Plonele mit dem Finger aufs Vöglein tippte, zwei und dreimal tippte. – „Tot.“



„Peterl, jetzt kannst das Vogelhaus bringen.“ Sie legte das Leichlein hinein und deckte es mit einer Flocke weißer Wolle zu. Dann stellte sie daneben das Öllämplein hin, das noch von Großmutters Bahre vorhanden war, und zündete es an. Als das nachher der Nickerl sah, sagte er: „Plonele, du bist dumm, Spatzen haben ja keine Seele.“

Da wurde uns weh zum Weinen. Unschuldigerweise von der Katz’ umgebracht zu werden und doch nicht in den Himmel kommen können!

Am Abend, als es dunkel wurde, trugen wir das starre Tierlein hinaus an den Rain, wo die Hagebutten stehen. Dort stach der Nickerl mit seinem Messer eine Grube. Dann haben wir es da hineingelegt, das weiße Wollflöckchen darüber und Erde darauf.

Kaum waren wir davon, so flogen zwei Spatzen am Raine hin und her.

„Das sind der Vater und die Mutter.“

„Die werden ihr liebes Vogerl nimmermehr sehen. Auch im Himmel nit“

„Wenn’s nur eine Höll’ tät geben für die Katz’“, sagte der Nickerl, der von seinem Rachezug unverrichteter Dinge zurückgekommen war.



Peter Rosegger