***Das Eichhörnchen von Selma Lagerlöff***
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*
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Das Eichhörnchen

Im Park von Övedkloster  war ein Eichhornweibchen gefangen und auf einen nahe gelegenen Bauernhof gebracht worden. Alle Bewohner des Bauernhofs, alte und junge, freuten sich sehr über das kleine, hübsche Tier mit dem großen, buschigen Schwanz, den klugen und neugierigen Augen und den kleinen netten Füßchen.


Sie wollten sich den ganzen Sommer an seinen flinken Bewegungen, seiner putzigen Art, Haselnüsse zu knabbern, und an seinem lustigen Spiel erfreuen. Schnell brachten sie einen alten Eichhornkäfig in Ordnung, der aus einem kleinen grün angestrichenen Häuschen und einem aus Draht geflochtenen Zaun bestand. Das Häuschen, das Tür und Fenster hatte, sollte dem Eichhörnchen als Ess- und Schlafzimmer dienen. Deshalb machten sie ein Lager aus Laub zurecht, stellten eine Schale Milch hinein und legten einige Haselnüsse dazu. Das Rad sollte sein Spielzimmer sein, wo es spielen und klettern und sich im Kreise herum schwingen könnte.

Die Menschen glaubten, sie hätten es für das Eichhörnchen recht gut gemacht, und sie verwunderten sich sehr, dass es ihm offenbar nicht gefiel. Betrübt und missmutig und nur ab und zu einen scharfen Klagelaut ausstoßend, saß es in einer Ecke seines Stübchens. Es rührte die Speisen nicht an und schwang sich auch kein einziges Mal in dem Rad.

„Es fürchtet sich“, sagten die Leute auf dem Bauernhof. „Aber morgen, wenn es an seine Umgebung gewöhnt ist, wird es schon spielen und fressen.“

In dem Bauernhause waren aber zu der Zeit große Vorbereitungen zu einem Feste im Gange, und gerade an dem Tage, wo das Eichhörnchen gefangen worden war, war große Backerei. Zum Unglück jedoch hatte entweder der Teig nicht recht aufgehen wollen, oder die Leute waren etwas langsam bei der Arbeit gewesen, und so mussten sie noch lange nach Einbruch der Dunkelheit arbeiten.

Überall herrschte natürlich großer Eifer, und man hatte es sehr eilig in der Küche. Niemand nahm sich Zeit, nachzusehen, wie es dem Eichhörnchen ging. Doch die alte Mutter des Hauses war zu bejahrt, um noch beim Backen helfen zu können, und obwohl sie das recht gut einsah, war sie doch betrübt darüber, ganz ausgeschlossen zu sein. Sie ging auch nicht zu Bett, sondern setzte sich ans Fenster der Wohnstube und sah hinaus.

Es war ein von Gebäuden umschlossener Hof, der jetzt so hell erleuchtet war, dass die Frau die Risse und Löcher in der Verkalkung der gegenüberliegenden Wand deutlich sehen konnte. Sie sah auch den Käfig des Eichhörnchens, der gerade dort hing, wo der Lichtschein am hellsten hinfiel, und da sah sie, dass das Eichhörnchen immerfort aus seinem Stübchen in das Rad und vom Rad wieder ins Stübchen hineinlief, ohne sich einen Augenblick Ruhe zu gönnen. Sie dachte, das Tier sei doch in einer sonderbaren Aufregung, aber sie meinte, der scharfe Lichtschein halte es wach.

Zwischen dem Kuh- und dem Pferdestall war ein großes, breites Einfahrtstor, das jetzt auch von dem Lichtschein aus der Küche hell beleuchtet war. Als eine gute Weile vergangen war, sah die alte Mutter, dass durch das Hoftor ganz leise und vorsichtig ein winziger Knirps hereingeschlichen kam. Er war nur eine Spanne hoch, hatte aber Holzschuhe an den Füßen und trug Lederhosen wie ein gewöhnlicher Arbeiter. Die alte Mutter wusste sogleich, dass dies das Wichtelmännchen war, und fürchtete sich nicht im geringsten, denn sie hatte immer gehört, dass sich ein solches auf dem Hofe aufhalte, obgleich es noch niemand gesehen hatte, und ein Wichtelmännchen brachte ja Glück, wenn es sich zeigte.


Sobald das Wichtelmännchen auf den gepflasterten Hof kam, lief es eifrig auf den Käfig zu, und da es ihn nicht erreichen konnte, weil er zu hoch hing, ging es nach dem Geräteschuppen, holte eine Stange heraus, lehnte sie an den Käfig und kletterte an ihr hinauf, gerade wie ein Seemann an einem Tau hinaufklettert. Als es den Käfig erreicht hatte, rüttelte es an der Tür des kleinen grünen Hauses, um es zu öffnen. Aber die alte Mutter war ganz beruhigt, denn sie wusste, dass die Kinder ein Vorlegeschloss daran gehängt hatten, aus Angst, die Jungen vom Nachbarhof könnten versuchen, das Eichhörnchen zu stehlen. Die Frau sah, dass das Eichhörnchen, als das Wichtelmännchen die Tür nicht aufbrachte, aus dem Rad herauskam. Da führten nun die beiden ein langes Zwiegespräch, und nachdem das Wichtelmännchen alles wusste, was ihm das Tier zu sagen hatte, glitt es an der Stange wieder hinunter und lief eilig wieder zum Tor hinaus.

Die Frau glaubte nicht, dass sie in dieser Nacht noch etwas von dem Wichtelmännchen zu sehen bekäme, blieb aber noch am Fenster sitzen. Nach einer Weile kam das Wichtelmännchen wieder. Es hatte es so eilig, dass seine Füße kaum den Boden zu berühren schienen, und lief spornstreichs auf den Käfig zu. Mit ihren fernsichtigen Augen sah es die Frau deutlich, auch bemerkte sie, dass es etwas in den Händen trug; aber was es trug, konnte sie nicht erkennen. Jetzt legte es das, was es in der linken Hand hielt, auf das Steinpflaster nieder, aber das in seiner Rechten nahm es mit hinauf zum Käfig. Hier stieß es mit seinem Holzschuh so heftig an das Fensterchen, dass die Scheibe zersprang, und durch diese reichte es nun das, was es in der Hand hielt, dem Eichhörnchen hinein. Dann rutschte es an der Stange herunter, nahm den anderen Gegenstand vom Boden und kletterte auch damit zum Käfig hinauf. Schnell wie der Blitz war es wieder unten und stürmte so eilig davon, dass ihm die alte Frau kaum mit den Augen folgen konnte.

Aber jetzt litt es die alte Mutter nicht mehr im Zimmer. Ganz leise stand sie von ihrem Stuhl auf, ging auf den Hof hinaus und stellte sich in den Schatten des Brunnens, um hier das Wichtelmännchen zu erwarten. Und noch jemand war da, der auch aufmerksam und neugierig geworden war. Das war die Hauskatze. Leise kam sie daher geschlichen, und blieb an der Mauer, gerade ein paar Schritte von dem hellen Lichtstreifen entfernt, stehen.

Die beiden mussten in der kalten Nacht lange warten, und die Frau überlegte sich schon, ob sie nicht lieber hineingehen sollte, als sie ein Geklapper auf dem Pflaster hörte und sah, dass der kleine Knirps von einem Wichtelmännchen wirklich noch einmal daherkam. Auch jetzt trug er in jeder Hand etwas, und was er trug, das zappelte und quietschte. Jetzt ging der alten Mutter ein Licht auf, und sie verstand, dass das Wichtelmännchen in das Haselnusswäldchen gelaufen war, dort die Jungen des Eichhörnchens geholt hatte und sie jetzt ihrer Mutter brachte, damit sie nicht verhungern müssten.

Die alte Frau verhielt sich ganz still, um das Wichtelmännchen nicht zu stören, und das schien sie auch nicht bemerkt zu haben. Es war eben im Begriff, das eine Junge auf den Boden zu legen, um zum Käfig hinaufzuklettern, als es plötzlich die grünen Augen der Katze dicht neben sich funkeln sah.

Ganz ratlos blieb es stehen, in jeder Hand ein junges Eichhörnchen.

Es drehte sich um und spähte im Hofe umher. Da gewahrte es die alte Mutter, und ohne sich lange zu besinnen, trat es rasch zu ihr hin und reichte ihr eines der Tierchen.

Die alte Mutter wollte sich des Vertrauens des Wichtelmännchens nicht unwürdig zeigen. Sie nahm ihm das Eichhörnchen ab und hielt es fest, bis das Wichtelmännchen mit dem ersten zum Käfig hinaufgeklettert war, und dann kam, das zweite, das es ihr anvertraut hatte, zu holen.

Am nächsten Morgen, als die Leute auf dem Bauernhofe beim Frühstück versammelt waren, konnte die Alte unmöglich über das Erlebnis der vergangenen Nacht schweigen. Aber alle miteinander lachten sie aus und sagten, sie habe das nur geträumt. Zu dieser Jahreszeit gäbe es ja noch gar keine jungen Eichhörnchen.

Doch sie war ihrer Sache ganz sicher und verlangte, dass man im Käfig nachsehe. Man tat es, und siehe da, auf dem Lager aus Laub, in der kleinen Stube, lagen vier halbnackte, halbblinde, erst zwei Tage alte Junge.

Als der Vater das sah, sagte er: „Das mag nun zugegangen sein, wie es will, aber soviel ist sicher, wir hier auf dem Hofe haben uns benommen, dass wir uns vor Tieren und Menschen schämen müssen.“

Damit nahm er das Eichhörnchen mitsamt den vier Jungen aus dem Käfig heraus und legte alle in die Schürze der Mutter.

„Geh’ damit in das Haselnusswäldchen, und gib’ ihnen ihre Freiheit wieder“, sagte er.

Und so geschah es.



 Selma Lagerlöff