***Himmelsgold von Clara Forrer***
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Perlen für Mutter
*
Lebenslichter

Himmelsgold

Schon fängt es an, in den Straßen der Stadt dunkel zu werden. Da und dort blitzen die ersten Lichter auf, die in den traulich erwärmten Stuben angezündet werden. Heut’ ist’s am schönsten, da drinnen zu sitzen um den erhellten Tisch; denn draußen liegt der frisch gefallene Schnee hoch auf den Straßen, und kalt weht der Wind.

Im düsteren Erdgeschoss eines kleinen Hauses am Ende der Stadt brennt in der niederen Kammer noch kein Licht. Hier wohnt eine kranke Witwe mit ihrem Töchterchen. Lieschen hat seinen Schemel ans Fensterbrett gerückt und presst nun sein Näschen an die kalten Fensterscheiben.

Die Mutter schläft und dem Kind ist einsam zu Mut.

Mit traurigen Augen schaut es empor zu dem Stückchen Himmel, das es von seinem
Fenster aus erblicken kann. Und an dem Stückchen Himmel glänzt Stern an Stern.

Während Lieschen betrübt zu ihnen empor schaut, sieh, da bewegt sich eines der Sternlein, und blitzend schießt es aus seiner Höhe herab auf die Erde. Das Mädchen staunt. War das nicht Gold, rundes blitzendes Gold, was da vom Himmel gefallen war?

Und dem Lieschen kommt in den Sinn, wie ihm die Mutter erzählt hatte von einem braven, guten Kind, das all seine Kleidchen den armen Kindern gab, bis es selbst frierend im finsteren Wald zu weinen begann.

Es klagte dem lieben Gott seine Not.

Da plötzlich fielen goldene Sternlein vom Himmel herab, ihm zu Füßen und verwandelten sich in lauter runde Goldstücke. Die hatte ihm der liebe Gott gesandt, damit es sich wieder ein warmes Röcklein kaufen konnte.


Ja, so hatte die Mutter ihrem Lieschen erzählt, und nun schickte Gott auch ihm ein
solches Sternchen; denn es hatte ihn so sehr gebeten, doch sein liebes Mütterchen wieder gesund zu machen, und dazu brauchte es Geld, viel Geld…

Sachte stieg Lieschen vom Fensterbrett, huschte leis’ durch die Stube, um die schlafende Kranke nicht zu wecken, und schon stand es draußen vor der Tür.

Weiß schimmerte die Straße, die einsam und verlassen vor ihm lag. Aber Lieschen bangte nicht. Es dachte nur immer an die Worte des Herrn Doktor, der zur Mutter gesagt hatte: „Ein sonniges warmes Stübchen und gute Pflege, das, gute Frau, ist die Arznei, die Sie wieder gesund machen kann.“

Darauf hatte die Mutter nichts gesagt. Sie hatte nur tief geseufzt; denn der Witwe fehlte das Geld, um eine bessere Wohnung zu mieten.


Nun aber sollte Mutter nicht seufzen; sie sollte gesund werden. Dort in dem Schnee des nahen Feldes lag das Himmelsgold. Das wollte es suchen gehen.

Lieschen wanderte getrost den Weg entlang, der aus der Stadt auf Wiesen und Äcker führte.  Jetzt lagen die letzten Häuser hinter ihm, und vor ihm lag eine große, weite Einsamkeit. Fast wollte ihm bange werden, aber sein Herzchen pochte doch laut vor freudiger Erwartung. Dort lag das Ziel, es glänzte im Mondschein so nah.

Feld auf, Feld ab trippelten die kleinen Füßchen durch den hohen Schnee. Müdigkeit und Kälte waren vergessen, wenn Lieschen an seine Mutter dachte. Ganz leis’ wollte es an ihr Bett treten und das Gold auf die Decke legen. Was machte Mütterchen für erstaunte Augen, wenn sie dann erwachend den Reichtum vor sich sah! Lieschen aber würde alsdann sagen: „Nun
kauf dir alles, was dich wieder gesund machen kann; denk dir, der liebe Gott hat mir das Gold für dich vom Himmel herab geschickt!“ Ja, so wollte es sagen, und mit neuem Eifer durchsuchte es die verschneite Flur.

Aber das Sternlein war nicht zu finden. Eisig wehte der Wind; durch die leichten Schuhe drang der Schnee und hing sich schwer und schwerer an den Saum des Röckleins. Nur mit Mühe schleppte sich die bebende Kleine weiter.

Und wie Schnee zerrann Lieschens schöner Traum von Glück und Gold. Die Äuglein, die so zuversichtlich geschaut, waren rot vom angestrengten Suchen, und Tränen rollten über die kalten Wangen.

„Ach, lieber Gott, lass mich finden, lass mich finden!“ schluchzte Lieschen, und bittend streckte es die frosterstarrten Händchen aus, als müsste Gott die erflehte Gabe da hinein legen.

Aber sein Bitten war umsonst.


Da sank das Mädchen erschöpft in den Schnee. Eine Wolke legte sich vor den mild strahlenden Mond; und als dieser wieder aus dem Dunkel hervortrat, schaute er voll Erbarmen auf ein im Schnee einschlafendes Kind. –

Da klang durch die stille Nacht helles Schlittengeläut. Immer näher tönte das Geklingel, und plötzlich rief aus dem Schlitten eine Stimme: „Joseph, sehen Sie einmal nach, was dort im Schnee dunkles liegt.“

Der Kutscher hielt die dampfenden Pferde an und eilte zu der bezeichneten Stelle. Dort zeigte ihm der Mond das blasse Gesichtchen des halb erstarrten Mädchens. Behutsam hob der Diener das Kind auf seinen Arm und brachte es dem Doktor.

„Ei, seht einmal an – “, rief er erschrocken, „das ist ja das Lieschen der kranken Witwe im Mooshäuschen!“

Sorgsam hüllte er die Kleine in warme Decken und nun fuhren sie in schnellem Lauf der
Stadt zu.

Als Lieschen nach langem, bleischweren Schlaf erwachte, lag es in einem fremden Bett, in fremder schöner Stube, und eine Fremde Frau stand an seiner Seite. Da rief es geängstigt: „Mutter! Mutter, wo bist du?“

Da beugte sich die fremde Frau liebreich zu ihm nieder und sprach ihm tröstlich zu. Dann reichte sie ihm eine Tasse Milch.

„Trink, Kleine, du wirst hungrig sein von deiner nächtlichen Wanderschaft!“

Da erwachte in Lieschen die Erinnerung an die vergangene Nacht, und das Weh einer großen, großen Enttäuschung fiel ihm schwer aufs junge, ängstlich klopfende Herz.

„Wo ist das Gold?“ rief es. „Hab ich wirklich keins gefunden? Ich sah’ s doch vom Himmel ins Feld fallen. O, Mutter, nun kann ich dich doch nicht gesund machen!“

Und laut weinend sank Lieschen in die Kissen zurück.


Die fremde Frau küsste Lieschens tränenüberströmten Wangen und hieß es erzählen von seiner Mutter. Lieschen berichtete von dem Stern, den es suchen gegangen war und nicht gefunden hatte, und dass nun sein krankes Mütterchen sterben müsse, weil es keine Sonne und keine Pflege habe.

Aber des Doktors Frau sprach der Kleinen gütig zu: „Sei nur ruhig, liebes Kind, Deine Mutter soll alles haben, was sie wieder gesund machen kann. Sie soll ein Stübchen haben, in das die Sonne scheinen kann, und auch an guter Pflege soll es ihr nicht fehlen. Denn, siehst du, Gott hat deine Bitte gehört, und weil du ein gutes Kind bist, das seiner Mutter helfen möchte, so wird ihr auch geholfen werden. Nun aber steh auf, damit wir zu deinem Mütterchen gehen können. Wie hat sie Angst um dich gelitten, weil du so fort gelaufen bist ohne ihr Wissen.“
Bald darauf traten die Beiden Hand in Hand in das Stübchen der Witwe, die schluchzend ihr Kind ans Mutterherz zog. Fast gestorben war sie vor Angst, als sie erwachend ihr Lieschen nirgends erblickte. Was waren das für Stunden voll Jammer gewesen, bis der Kutscher ihres Arztes eintrat und ihr von Lieschens Rettung erzählte. Wie dankte sie Gott aus übervollem Herzen, dass er ihr Kind so gnädig begleitet und alle Not in Freude gekehrt hatte. –

Seitdem wohnt die Witwe mit ihrem Lieschen in einem freundlichen Haus außerhalb der Stadt. In ihr Stübchen scheint nun hell die Sonne, und ein weißer Kachelofen spendet wohltuende Wärme. Es ist dafür gesorgt, dass Lieschens Mutter gesund werden kann.

Und Lieschen, wenn es durchs Fenster schaut, sieht ganz nah vor sich das Feld schimmern, wo es das Sternchen suchen ging. Und nachts, wenn es empor zum Himmel sieht, dann winkt es den vielen glänzenden Sternen zu und flüstert: „Ich danke euch für euer Himmelsgold.“



Clara Forrer